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9. Alkohole, Ether und Phenole

In diesem Kapitel werden wir als Schwerpunkte folgendes betrachten ; 1) Struktur, Reaktionen und Darstellung und 2) Alkohole und Phenole als Säuren und Basen.

9.1 Nomenklatur

Alkohole

Nach der IUPAC-Nomenklatur werden Alkohole als Alkanderivate behandelt. Dem Namen des Alkans wird die Endung -ol angehängt. Bei komplizierten verzweigten Systemen richtet sich der Name des Alkohols nach der längsten Kette, die den OH-Substituenten trägt :

Um den Platz der funktionellen Gruppe im Molekül festzulegen, beginnt man mit der Zählung so, dass die OH-Gruppe eine möglichst niedrige Nummer erhält. Die Namen der Substituenten werden dem Alkanol vorangestellt :

Wie Alkylsubstituenten und Halogenalkane teilen wir Alkohole in primäre, sekundäre und tertiäre Alkohole ein :

Phenole

Verbindungen mit Hydroxygruppen am Benzolring bezeichnet man als Phenole. Bei der Benennung der substituierten Benzole haben die Carboxy- und die Carbonylgruppe eine höhere Priorität als die Hydroxygruppe :

Ether

Die IUPAC-Nomenklatur behandelt Äther als Alkan mit einem Alkoxy-Substituent, also als Alkoxyalkan. Der kleinere Substituent gilt als Teil der Alkoxygruppe, der grössere Substituent bildet den Stamm des Moleküls :

9.2 Eigenschaften der Alkohole, Phenole und Ether

Die Struktur der Alkohole ähnelt der von Wasser. Unten werden die Strukturen von Methanol, Wasser und Dimethylether miteinander verglichen :

Die Elektronegativität des Sauerstoffatoms bewirkt eine ungleichmässige Ladungsverteilung im Molekül, sodass ein Dipolmoment ähnlich dem von Wasser entsteht:

Alkohole haben im Vergleich zu Alkanen und Chloralkanen unterschiedliche physikalische Eigenschaften: besonders auffalend sind die höheren Siedepunkte.

Siedepukte verschiedener Alkane, Chloralkane und Alkohole
Alkylgruppe, R Alkane, R-H Chloralkane, R-Cl Alkohole, R-OH
CH3- -162 -24 64.5
CH3CH2- -88.5 12.5 78.3
CH3CH2CH2- -42 46.6 97
(CH3)2CH- -42 36.5 82.5
CH3CH2CH2CH2- -0.5 83.5 117
(CH3)3C- -12 51 83

Auch Phenole und aromatische Kohlenwasserstoffe haben unterschiedliche Siedepunkte : z.B. Toluol Sdp 110oC, Phenol Sdp 182oC.

Wasser hat einen für seine Molekülmasse ungewöhnlich hohen Schmelz- und Siedepunkt, der im Vergleich zu anderen intermolekularen Kräften mit der Ausbildung starker Wasserstoffbrücken  erklärt wird. Diese werden zwischen dem Sauerstoffatom des einen Moleküls und dem Hydroxy-Wasserstoffatom eines anderen Moleküls gebildet. Im kristallinen Zustand bildet sich ein regelmässiges Td-Gitter, mit einer maximalen Zahl an stabilen H-Brücken. Beim Aufwärmen wird dieses Gitter zuerst nur teilweise aufgebrochen, was zu einem noch dichter gepackten Zustand führt (bei 4oC), der dann immer weiter aufgelockert wird (> 4oC):

im Kristall bei 4 oC

Auch Alkohole können Netzwerke von H-Brücken im flüssigen Zustand ausbilden:

Diese Wechselwirkung führt zu einem weiten Netz derart verknüpfter Moleküle. Obwohl eine H-Bindung viel schwächer ist (21 KJ/mol) als eine kovalente O-H Bindung (435 KJ/mol, erschwert die Vielzahl der vorhandenen Wasserstoffbrücken den Siedevorgang. Dies führt zu verhaltnismässig hohen Siedepunkten. Im Wasser ist dieser Effekt noch stärker ausgeprägt.

9.3 Säuren und Basen

Alkohole und Phenole sind schwache Säuren. Aber sie können auch basisch reagieren, indem das freie Elektronenpaar des Sauerstoffatoms ein Proton bindet (siehe auch Kapitel 8.5.3). Was bedeutet Säure und Base, und wie werden ihre Stärken verglichen ?

Nach dem Konzept von Brønsted sind Säuren Substanzen die ein Proton übertragen können. Eine Base ist eine Substanz die ein Proton aufnehmen kann - sie muss ein freies Elektronenpaar haben, um eine σ-Bindung mit H+ bilden zu können, z.B.:

Die Stärke einer Säure oder Base (in Wasser) wird durch ihre Aciditätskonstante Ka oder pKa definiert, z.B.:

Die Konstante pKa ist der pH-Wert für den Fall [HA] = [A-]. Je kleiner der pKa-Wert ist, umso stärker ist die Säure. Eine schwächere Säure hat ein höheres pKa.

Wenn Sie eine schwache Säure betrachten (z.B. Ethanol), dann ist ihre konjugierte Base eine starke Base. Wenn Sie eine starke Säure betrachten (z.B. HCl) dann ist ihre konjugierte Base eine schwache Base:

Relative Stärke verschiedener Säuren und ihrer konjugierten Basen
  Säure Name pKa konjugierte Base Name  
CH3CH2OH Ethanol 16.0 CH3CH2O- Ethanolat
H2O Wasser 15.74 OH- Hydroxid
HCN Cyanwasserstoff 9.2 CN- Cyanid
CH3COOH Essigsäure 4.72 CH3COO- Acetat
HF Fluorwasserstoff 3.2 F- Fluorid
HNO3 Salpetersäure -1.3 NO3- Nitrat
HCl Chlorwasserstoff -7.0 Cl- Chlorid

Nach dem Konzept von Lewis sind Säuren Substanzen die ein Elektronenpaar aufnehmen können (Elektronenpaar-Akzeptoren). Dagegen ist eine Lewis-Base eine Substanz, die ein Elektronenpaar übertragen kann (Elektronenpaar-Donatoren).

z.B :

9.4 Alkohole und Phenole als Säuren

Wenn Sie einen Alkohol oder ein Phenol in Wasser lösen, ensteht ein Gleichgewicht :

Wenn wir ihre Stärke als Säuren vergleichen möchten, müssen wir ihre Aciditätskonstante betrachten:

Alkohol oder Phenol pKa  
(Me)3COH 18.0
CH3CH2OH 16.0
HOH [ 15.74 ]*
MeOH 15.54
p-Methylphenol 10.17
Phenol 9.89
p-Bromphenol 9.25
p-Nitrophenol 7.15
CH3COOH [ 4.72 ]*
HCl [ -7.00 ]*

* Als Vergleich

Merke aber ! Mit Alkalimetallen findet eine vollständig irreversible Reaktion statt:

Warum sind Phenole stärkere Säuren als Alkohole ?

Der Grund dafür muss darin liegen, dass das Phenoxid-Anion im Vergleich zu einem Phenol stabiler ist, als ein Alkoxid-Anion gegenüber einem Alkohol. Das Phenoxid-Anion ist durch Resonanz (Mesomerie-Effekt) stabilisiert :

Wenn der Benzol-Ring auch einem Substituent trägt, kann das Phenol entweder eine noch stärkere Säure oder eine schwächere Säure als das Phenol selbst sein :

z.B. Nitrophenol :

Es liegt schon bei pH 7 im Wasser fast bis zu 50% in der Phenoxid Form vor.

Ether haben kein Wasserstoffatom am O und sind deshalb nicht sauer. Sie verhalten sich neutral.

9.5 Darstellung der Alkohole

Alkohole besetzen eine zentrale Position in der Organischen Chemie. Sie können ausgehend von verschiedenen funktionellen Gruppen hergestellt werden und lassen sich in zahlreiche andere funktionelle Gruppen umwandeln.

Welche Methoden haben wir schon gesehen ?

1) Hydratisierung von Alkenen (siehe Kapitel 4.3):

(Achtung - Die Reaktion ist reversibel, und Bedingungen die die gewünschte Richtung bevorzugen, müssen gefunden werden).

2) Oxidation von Alkenen mit OsO4 (siehe Kapitel 4.5):

3) Nucleophile Substitutionsreaktionen (siehe Kapitel 8)

Ein wichtiger neuer Zugang zu Alkoholen, der uns bis jetzt nicht begegnet ist, ist die Reduktion von Carbonyl-Verbindungen. (Die Mechanismen von Reaktionen an Carbonyl-Gruppen werden wir erst im Kapitel 10-12 behandeln.

i) Durch die Reduktion von Aldehyden und Ketonen

Dieser Prozess kann folgenderweise geschildert werden :

Es gibt mehrere Reagenzien, die für diese Reaktionen geeignet sind. Wir werden zwei betrachten, weil sie einen ziemlich breiten Anwendungsbereich haben :

Reduktion mit Natrium Borohydrid (NaBH4):

Reduktion durch heterogene Katalysatoren und Wasserstoff :

Diese Bedingungen werden auch für die Reduktion von Alkenen und Alkinen zu Alkanen verwendet (siehe Kapitel 4.5). Aber Alkene und Alkine können nicht mit NaBH4 reduziert werden.

ii Reduktion von Estern und Carbonsäuren

Die Reduktion von Estern und Säuren kann folgenderweise beschrieben werden (wird später behandelt):

iii Nucleophile Addition von Grignard-Reagenzien an Carbonyl Verbindungen

Dieses Thema wird sorgfältig in den nächsten Kapiteln behandelt. Wir sollten hier bemerken, dass Grignard-Reagenzien für die Synthese von 1o-, 2o- und 3o-Alkoholen eingestetzt werden können,

9.6 Darstellung von Ethern aus Alkoholen

Ether stellt man am einfachsten durch die Reaktion eines Alkoxids mit einem primären Halogenalkan oder einem Sulfonsäureester (Mesylat oder Tosylat - siehe Kapitel 8.4.2) unter typischen SN2-Bedingungen her. Dieses Verfahren ist als Williamson-Ethersynthese bekannt, z.B.:

Die Alkoxide können aus dem entsprechenden Alkohol und Na erzeugt werden. Da Alkoxide starke Basen sind, bleibt ihre Anwendung bei der Ethersynthese auf primäre ungehinderte Systeme beschränkt, da sonst ein erheblicher Anteil an E2-Produkt entstehen würde.

9.7 Reaktionen von Alkoholen

9.7.1 Dehydratisierung

Wir haben schon auf (siehe Kapitel 8.5) Eliminierungsreaktionen für die Synthese von Alkenen kennengelernt. Hier werden wir die Mechanismus von Dehydratisierungen behandeln, z.B.:

Oxonium-Ionen entstehen durch Protonierung von Alkoholen. Sekundäre und teritäre Oxonium-Ionen können daraufhin Wasser abspalten und relativ stabile sekundäre oder tertiäre Carbenium-Ionen ausbilden :

9.7.2 Bildung von Halogenalkanen

Primäre Oxonium-Ionen hingegen sind bezüglich dieser Weiterreaktion recht stabil, da das daraus entstehende primäre Carbenium-Ion zu energiereich (instabil) ist. Sie können jedoch von einem Nucleophil angegriffen werden (siehe Kapitel 8.4.2) :

2o- und 3o-Alkohole lassen sich auch durch Behandlung mit HCl oder HBr bei 0oC (jetzt SN1) in Halogenalkanen umwandeln. Am besten werden 1o- und 2o-Alkohole durch Behandlung mit SOCl2 oder PBr3 zu Halogenalkanen umgesetzt (siehe Kapitel 8.2).

9.7.3 OXIDATION von Alkoholen

Im Abschnitt 9.5 wurde die Darstellung von Alkoholen aus Aldehyden, Ketonen und Carbonsäuren beschrieben, die mit Wasserstoff (nur RCHO und RCOR) oder Hydriden reduziert wurden. Auch die umgekehrte Reaktion, die OXIDATION von Alkoholen zu Aldehyden, Ketonen oder Carbonsäuren ist möglich. Solche OXIDATIONS-REAKTIONEN bilden eine der wichtigsten Reaktionsklassen, die für Alkohole möglich sind, z.B.:

Primäre Alkohole können entweder zu Aldehyden oder zu Carbonsäuren oxidiert werden ; welches Produkt gebildet wird, hängt von den Reagenzien und Reaktionsbedingungen ab. Sekundäre Alkohole liefern nur Ketone.

Ein häufig verwendetes Reagenz zur Oxidation von Alkoholen ist Chrom (VI), ein Übergangsmetall in einer hohen Oxidationsstufe. In dieser Form ist Chrom gewöhnlich gelb bis orange. Bei der Umsetzung mit einem Alkohol wird Chrom (VI) zu tiefgrünem Chrom (III) reduziert.

z.B. Alkohol zu Aldehyd :

Die Weiteroxidation zur Säure lässt sich vermeiden, wenn man wasserfrei arbeitet, da dann das Aldehyd stabil ist :

Wenn die Oxidation in wässriger Lösung durchgeführt wird, erhält man ausgehend von 1o-Alkoholen Carbonsäuren, z. B.:

Das Aldehyd tritt als Zwischenprodukt auf, aber unter diesen Reaktionsbedingungen wird er gewöhnlich weiter zur Säure oxidiert. 2o-Alkohole können entweder unter wasserfreien Bedingungen oder in wässriger Lösung zu Ketonen oxidiert werden :

9.8 Reaktionen von Ether

Ether sind recht reaktionsträge. Sie sind unter den meisten Bedingungen inert und werden deswegen oftmals als Lösungsmittel verwendet. Einige Ether reagieren jedoch langsam mit Sauerstoff zu Hydroperoxiden und Peroxiden nach einem radikalischen Mechanismus. Peroxide sind gefährlich, da sie sich explosionsartig zersetzen können.

9.8.1. Epoxide

Obwohl gewöhnliche Ether relativ inert sind, kann der gespannte Ring von Epoxiden (Oxacyclopropan) eine Reihe von Ringöffnungsreaktionen mit Nucleophilen eingehen. Unter mild-sauren Bedingungen reagieren Epoxide sehr schnell :

Zwei Millionen Tonnen Ethylenglycol für Automobil Frostschutzmittel wird jährlich durch säure-katalysierte Hydratisierung aus Ethylen-Oxid hergestellt.

9.9 Phenole : Darstellung und Reaktionen

Die direkte elektrophile Addition von OH an Benzole ist schwierig, da Reagenzien, die eine elektrophile OH-Gruppe wie OH+ erzeugen können, sehr selten sind. Man kann aber Phenol aus Natriumbenzolsulfonat oder Chlorbenzol durch Erhitzen in geschmolzenem NaOH darstellen (Mechanismus wird nicht behandelt) :

Phenole können nicht mit Säure dehydratisiert werden, und sie können nicht mit HX in Arylhalogene umgewandelt werden. Aber Phenole gehen in der Williamson-Ether-Synthese (siehe Kapitel 9.6) ein. Phenole als elektronenreiche Aromaten gehen elektrophile Substitutionsreaktionen, wie Nitrierung, Sulphonierung und Halogenierung, rasch ein (siehe auch Kapitel 5.5).

o- und p-Dihydroxybenzole (Hydrochinone) können leicht oxidiert werden und bilden dadurch Chinone (Quinones), z.B.

Solche Chinone kommen in wichtigen Naturstoffen vor, wie dem Ubichinon (Coenzym Q) und dem Vitamin K.


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