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15. Aminosäuren, Peptide und Proteine

Proteine (Polypeptide) erfüllen in biologischen Systemen die unterschiedlichsten Funktionen. So wirken sie z.B. bei vielen chemischen Reaktionen in der Natur als Katalysatoren (Enzyme). Proteine dienen auch als Transport- und Speichersysteme.

Die Monomereinheit der Polypeptide ist eine α-Aminosäure. Das Polymer entsteht dadurch, dass immer jeweils eine Carbonsäurefunktion der einen Aminosäure mit der Aminogruppe einer anderen reagiert, deren Carboxygruppe dann wiederum mit der Aminfunktion der nächsten reagieren kann:

So entsteht eine Kette von Amiden. Die Amidbindung, durch die zwei Aminosäuren verknüpft werden, bezeichnet man auch als Peptidbindung :

Die Peptidbindung besteht aus einem Amid und ist deshalb planar.

15.1 Struktur und Säure-Base-Eigenschaften der Aminosäuren

Obwohl es mehr als 500 natürlich vorkommende Aminosäuren gibt, bestehen die Proteine aller Organismen, von den Bakterien bis zum Menschen, zum überwiegenden Teil aus nur 20 verschiedenen Aminosäuren :

 
 
 
 
 
Glycin (G) Alanin (A) Valin (V) Leucin (L) Isoleucin (I)
 
 
 
 
 
Prolin (P) Phenylalanin (F) Tyrosin (Y) Tryptophan (W) Histidin (H)
 
 
 
 
 
Lysin (K) Arginin (R) Methionin (M) Serin (S) Threonin (T)
 
 
 
 
 
Glutaminsäure (E) Asparaginsäure (D) Cystein (C) Glutamin (Q) Asparagin (N)

In allen Aminosäuren ausser Glycin befindet sich an C2 ein Chiralitätszentrum, das normalerweise eine S-Konfiguration besitzt. Genau wie bei den Zuckern verwendet die ältere Nomenklatur die Vorsätze D- und L- wodurch alle (2S)-Aminosäuren vom L-Glycerinaldehyd abgeleitet werden:

Die absolute Konfiguration an allen Chiralitätszentren (ausser Cys) ist gemäss des CIP-Nomenklatursystems S.

Da sie Carboxy- und Aminogruppen enthalten, ist es nicht überraschend, dass Aminosäuren sauer und basisch reagieren können :

Aminosäuren liegen als zwitterionische Ammoniumcarboxylate vor. Die Aminosäuren bilden besonders stabile Kristallgitter aus, schmelzen nicht sondern zersetzten sich beim Erhitzen, und sind in organischen Lösungsmitteln fast unlöslich.

In wässeriger Lösung bilden sich unterschiedliche Säure-Base-Gleichgewichte unter Beteiligung der funktionellen Gruppen aus.

z.B.

Die pKa-Werte für die entsprechenden Gleichgewichte sind :

Die Situation wird etwas komplizierter, wenn die Seitenkette der Aminosäure eine weitere saure oder basische Funktion enthält

Z.B.:

Es ist wichtig zu wissen, bei welchem pH-Wert die Konzentration der neutralen zwitterionischen Form am grössten ist. Diesen Punkt bezeichnet man auch als isoelektrischen Punkt (pI), da die Zahl der positiv geladenen Aminosäuremoleküle gleich der Zahl der negativ geladenen ist, und daher keine Wanderung der Aminosäure in einem von aussen angelegten elektrischen Feld beobachtet wird.

15.2 Peptide

Beim Zeichnen einer Polypeptidkette schreibt man das Amino-Ende an die linke, das Carboxy-Ende an die rechte Seite der Kette. Die absolute Konfiguration an allen Chiralitätszentren (ausser Cys) ist vereinbarungsgemäss S

Die einzelnen Aminosäure-Einheiten, aus denen das Peptid aufgebaut ist, sind die sogenannten Reste.

Die Namensgebung bei den Peptiden ist ganz einfach. Man beginnt an dem Ende mit der freien Aminosäure und hängt dann die Bezeichnung für die einzelnen Reste einfach aneinander.

Z.B.:

Es gibt über 40,000 mögliche Kombinationen der acht Aminosäuren im Angiotensin II. Angiotensin-II selbst spielt eine wichtige Rolle bei der Regulation des Blutdrucks.

Eine zweite Art von Kovalenz-Bindungen kommt oftmals in Peptiden und Proteinen vor,

Disulphidbrücken:

Eine Disulphidbindung kann reversibel aus zwei Thiolgruppen gebildet werden.

Die Aminosäuresequenz der Kette legt die sogenannte Primärstruktur eines Peptids fest. Insulin ist aus zwei Peptidketten A und B aufgebaut, die über zwei Disulphidbrücken miteinander verbunden sind. Die zwei Ketten sind zusammengefaltet und bilden dadurch eine relativ stabile 3D-Struktur.

 

 

15.3 Hydrolyse von Polypeptiden

Die Peptidbindung kann hydrolysiert werden. Aber unter welchen Bedingungen läuft die Hydrolysereaktion schnell ab?

Versuche mit kleinen Peptiden haben gezeigt, dass bei Raumtemperatur und pH 7 die Halbwertszeit ca. 500 Jahre beträgt.

Um die Hydrolysereaktion zu beschleunigen kann man 1) Säure- oder Basekatalyse anwenden, und 2) die Temperatur erhöhen. Zum Beispiel in 6n HCl bei 100oC werden Peptide und Proteine innerhalb weniger Stunden vollständig hydrolysiert, z.B.:


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